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Regionale Gesundheitszentren: Antwort auf den Landärzt:innenmangel?

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Regionale Gesundheitszentren: Antwort auf den Landärzt:innenmangel?

von Johannes Fleischhut am 24.06.2021 in Allgemein

Neben der Landarztquote (wir berichteten an dieser Stelle) sollen in der näheren Zukunft sogenannte regionale Gesundheitszentren die Versorgung im ländlichen Bereich verbessern und als Gegenmittel für den drohenden (oder schon vorhandenen) Landärzt:innenmangel dienen. Diese Form der Primärversorgung (also die medizinische Grundversorgung und Erstberatung der Patient:innen) ist in Deutschland noch relativ unüblich. Ein Blick ins Ausland zeigt aber, dass das Konzept durchaus Erfolg haben kann. Also lasst und mal tiefer schauen:

Regionale Gesundheitszentren – was ist das eigentlich?

Im Prinzip sind regionale Gesundheitszentren eine Art „Zwitter“ zwischen kleinen Krankenhäusern und klassischen Arztpraxen oder medizinischen Versorgungszentren. Sie bieten neben der Primärversorgung durch Hausärzt:innen auch in kleinem Rahmen stationäre Behandlung und neben ärztlichen Angeboten auch weitere, mit Gesundheit und Medizin verwandte Themen. In Niedersachsen, wo eine Enquete Kommission des Landtags in den vergangenen zwei Jahren über die Zukunft der medizinischen Versorgung beraten hat, sollen sie eine Art Gegenstück zu den größeren Zentralkliniken werden und so im ländlichen Bereich die Versorgung langfristig sichern. Wen es interessiert, kann sich die leichte Lektüre von 335 Seiten hier durchlesen. Die Mittel dafür will man ab 2022 im Landeshaushalt bereitstellen, sodass in einigen Jahren dann die ersten regionalen Gesundheitszentren aus dem Boden sprießen können

Regionales Gesundheitszentrum

Die Enquete-Kommission des niedersächsischen Landtags beschreibt die regionalen Gesundheitszentren in ihrem Bericht als „erweitertes Ärzt:innenhaus“. Zu den Basiselementen, die in jedem Gesundheitszentrum vorhanden sein sollen, gehören ambulante fachärztliche Versorgung, Erreichbarkeit rund um die Uhr, Betten zur Kurzzeitpflege sowie die Kooperation unterschiedlicher ärztlicher und nichtärztlicher Fachgruppen. Als optionale Elemente führt der Bericht weitere Fachbereiche (wie Apotheken, Reha, Optiker), ein ambulantes OP-Zentrum, Tagespflege, eine Rettungswache und von der Berufsgenossenschaft zugelassene Durchgangsärzt:innen auf.

Die regionalen Gesundheitszentren sollen also vorrangig dort entstehen, wo ein Krankenhaus nicht mehr weiterbetrieben und eine wohnortnahe Versorgung gerade im ländlichen Raum anders nicht sichergestellt werden kann.

In den Zentren können dann verschiedenste Professionen unter einem Dach multiprofessionell zusammenarbeiten, wie ein Beispiel aus Hohenstein auf der Schwäbischen Albzeigt: „[…] eine Allgemeinmedizinerin und Diabetologin, ein Kinder- und Jugendarzt, eine Physiotherapiepraxis, eine Gesundheitslotsin, verschiedene Präventionsangebote, eine Hebammenpraxis und ein Pflegestützpunkt. Hinzu kommen konsiliarärztliche Sprechstunden, an denen zu festgelegten Zeiten Fachärzt:innen für Psychiatrie oder Fachkräfte zur Frühförderung von Kindern vor Ort sind.“ Hier beschrieben

Wer kann regionale Gesundheitszentren als Träger umsetzen?

Bei der Frage nach der Trägerschaft lohnt sich ein Blick (wie so oft) nach Skandinavien: In Finnland und Schweden treten Kommunen verstärkt als Träger der Primärversorgung auf, wodurch flächendeckende regionale Versorgung erreicht wird (nachzulesen hier auf den Seiten 18ff.). Das ist ein aus unserer Sicht fantastisches Modell und überzeugt nach und nach auch deutsche Kommunen. Dabei müssen Kommunen nicht einmal zwingend die operative Leitung übernehmen, diese kann auch an dritte Unternehmen oder die Ärzt:innen selbst übergeben werden. Die Kommune liefert in dem Fall aber ein Anstellungsverhältnis, ist Eigentümer der Örtlichkeiten und garantiert so geregelte Arbeitszeiten und größtmögliche Flexibilität für Ärzt:innen, die sich selbst primär um eine gute ärztliche Versorgung kümmern können.

Daneben sind natürlich auch weitere Trägerschaften möglich. Dies können niedergelassene und dort tätige Ärzt:innen sein, aber auch die Kassenärztliche Vereinigung oder auch gemeinnützige oder private Träger.

Das Modell stellt also einen potenziell großen Vorteil für alldiejenigen dar, die sich zwar grundsätzlich das Landleben vorstellen können, aber selbst nicht so sehr der „Unternehmertyp“ sind.

Und täglich grüßt das Murmeltier: Massiver Landärzt:innenmangel upcoming

Im Jahr 2035 werden bundesweit etwa 11.000 Hausärzt:innen fehlen, so hat es das IGES-Institut im Auftrag der Robert Bosch Stiftung errechnet. Unten zeigt sich auf einer interaktiven Deutschlandkarte, wo es besonders schlimm wird. „Im Extremfall müssen Patienten in unterversorgten Kreisen damit rechnen, in ihrem Umfeld keinen einzigen niedergelassenen Hausarzt zu haben“, sagt Hans-Dieter Nolting, Versorgungsforscher und Geschäftsführer des IGES Instituts.

30.000 Ärzt:innen gehen bis 2035 in den Ruhestand. Diese Stellen gilt es aufzufüllen. Bei den Nachwuchsmediziner*innen wächst aber zunehmend der Wunsch nach Angestelltenverhältnissen, Teilzeitmodellen. Außerdem wünschen sich viele eine stärkere multiprofessionelle Zusammenarbeit.

Förderprogramm PORT der Robert Bosch Stiftung

Die Robert Bosch Stiftung reagiert auf diese Zahlen mit einem großangelegten Förderprogramm, den sogenannten PORT-Projekten.

PORT

Diese Abkürzung steht für Patientenorientierte Zentren zur Primär- und Langzeitversorgung. Bisher gibt es 13 Pilotprojekte, deren Aufbau seit 2017 von der Robert Bosch Stiftung gefördert werden. Mit deutschlandweit 1000 Standorten könnte Hochrechnungen zufolge eine flächendeckende Primärversorgung durch Gesundheitszentren nach dem PORT-Konzept möglich werden.

Empfohlen wird nicht weniger als der grundlegende Umbau des Versorgungssystems. Die Primärversorgung nimmt dabei eine Schlüsselfunktion ein. „Ein wichtiger Baustein ist der Aufbau von lokalen, inhaltlich umfassenden Gesundheitszentren, in denen multiprofessionelle Teams von Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegenden mit anderen Gesundheitsberufen die Patienten bedarfsorientiert behandeln und optimalerweise deren familiäre und lebensweltliche Umstände kennen„, sagt Doris Schaeffer, Professorin für Gesundheitswissenschaften an der Universität Bielefeld.

Fazit

Wir nehmen Projekte, wie regionale Gesundheitszentren, PORT, IGZ (Intersektorale Gesundheitszentren), MVZ in öffentlicher Trägerschaft immer stärker wahr und glauben, dass sie sie in Zukunft noch deutlich mehr Verbreitung finden werden. Natürlich wird der klassische Hausarzt dadurch nicht komplett ersetzt werden, so ein Gesundheitszentrum kann ja auch schlecht künftig in jedem Dorf hochgezogen werden. Dennoch sind wir davon überzeugt, dass diese Modelle sehr vielversprechend sind. Vor allem, weil sie für viele Nachwuchsmediziner:innen attraktivere Arbeitsbedingungen versprechen, als die klassische Niederlassung.

Am Ende bleibt wieder einmal die ganz persönliche Entscheidung: Der eine wünscht sich, dass alles für ihn geregelt wird und die andere wünscht sich, dass sie gestalten kann, wie unsere Interviewpartnerin aus Nordhessen. Sie könnte sich vermutlich ein solches Anstellungsverhältnis nicht vorstellen, da viel zu viele andere mitbestimmen. Aber zum Glück sind wir ja alle sehr verschieden 🙂

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Foto von cottonbro von Pexels