Blogbeitrag in Allgemein

Per Quote ins Glück…? Die neue Landarztquote

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Per Quote ins Glück…? Die neue Landarztquote

von Johannes Fleischhut am 09.02.2021 in Allgemein

Mit Baden-Württemberg führt seit 2020 das bereits achte Bundesland die Landarztquote ein, damit ist sie in der Hälfte der Bundesländer nun Mittel der Wahl gegen den Ärztemangel im ländlichen Raum. Zwischen 21 und 170 Studienplätze werden so pro Land an AbiturientInnen vergeben, die per NC keinen Platz bekommen hätten. In Baden-Württemberg werden es 75 von 1.775 Studienplätzen sein, also rund 4.2%. Damit liegt man im Mittelfeld, Spitzenreiter bei der Quote ist bis dato Niedersachsen mit 10%.

Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha von den Grünen begründet den Schritt damit, dass zwar die Versorgungslage mit Landärzten jetzt noch gut sei, aber nicht besser werde. Für zwei Ärzte, die in den Ruhestand gehen, brauche man künftig drei, um das Nive­au der Versorgung zu halten.

Die Landarztquote kurz erklärt

Die Landarztquote ist Bestandteil des Masterplan Medizinstudium 2020 und als solches ein politisches Instrument, mit dem der Ärztemangel im ländlichen Raum langfristig behoben werden soll. Durch sie können AbiturientInnen einen Medizinstudienplatz ergattern, die über den NC durchs Raster gefallen wären. Für das Aufnahmeprozedere sollen praktische Erfahrungen eine größere Rolle spielen. Dafür verpflichten sie sich, mindestens 10 Jahre in einer Region mit Ärztemangel zu arbeiten.  Bei Vertragsbruch ist eine Strafe von 250.000 € vorgesehen. Mehr Infos zur Bewerbung findet man zum Beispiel hier.

Chancen durch die Landarztquote

Die Chancen der Landarztquote liegen auf der Hand: Es gibt eine hohe Planbarkeit sobald die ersten heutigen Studienanfänger bereit für den Dienst sind. Jedes Jahr können dann so zwischen 20 und 170 Ärzte für die Neubesetzung von Hausarztpraxen auf dem Land eingeplant werden.

Auch zählen für die Zulassung nicht mehr nur gute Noten (nicht zu verwechseln mit guter Eignung!), sondern es verpflichten sich im Idealfall Menschen, die wirklich LandärztIn werden wollen. Soziale Faktoren aber auch analytisches Denken können beim Auswahlverfahren stärker zum Tragen und bergen die Chance, dass aus den Bewerbern gute Mediziner fürs Land werden.

Landärzte lernen ihre PatientInnen über Jahre kennen, in der Stadt und in der Klinik sieht man sie in der Regel nur kurz und selten mehr als einmal. Für viele MedizinerInnen ist dies ein reizvolles Berufsbild. Es bleibt abzuwarten, ob AbiturientInnen sich aus diesem Grund für einen Studienplatz über die Quote entscheiden und ob die Landarztquote es so letztlich schaffen kann, die richtigen Personen anzusprechen.

Am Problem vorbei „gequotet“?

Auch der größte Nachteil der Landarztquote liegt auf der Hand: Akut ändert sich erstmal überhaupt nichts. In Deutschland fehlen nach Berechnungen der Kassenärztlichen Vereinigungen der Bundesländer aktuell mehr als 2500 Hausärzte. Über die Quote wird dieses Problem frühestens in 10 Jahren bekämpft werden können, es sind also weitere Instrumente, die unmittelbarer wirken, notwendig.

Ebenfalls problematisch ist der Umstand, dass man sich bei 10-11 Jahren Ausbildung plus 10 Jahre Bindung für mindestens 20 Jahre einem Weg verpflichtet – und zwar direkt nach dem Abitur! Selbst bei der Bundeswehr ist eine solch lange Verpflichtung doch eher ungewöhnlich. Wenn Du Deinen Weg direkt nach dem Abi schon so gut kennst und für Dich diese Verpflichtung egal ist – super cool, auf gehts! Doch für viele ist dies sicher eine sehr schwierige und vor allem schwerwiegende Entscheidung. Vielleicht stellt sich für die betreffende Person später heraus, dass doch die Chirurgie oder die Forschung viel passender oder spannender wäre. Die Landarztquote kann einem gehörig die Suppe versalzen, wenn man später seine Meinung ändert und es besteht eine berechtigte Sorge, dass man so auch jede Menge unglückliche und frustrierte Landärzte produziert, die eigentlich viel lieber woanders wären.

Man fragt sich, warum nicht am Kern des Problems konsequenter angesetzt wird. Die Politik muss den Job einfach wieder attraktiver machen. Es müssen Freiräume geschaffen werden, auch finanziell. In ländlichen Gegenden ist häufig das Verhältnis von Kassen- zu Privatpatienten deutlich geringer, was den Hausarzt schon mal in Budgetierungsnöte bringen kann. In Einzelfällen kam es gar zu Regressforderungen, weil man zu viele Hausbesuche abgerechnet hat, auch etwas, dass häufig den ländlichen Gegebenheiten geschuldet ist. Hier wäre es dringend geraten, Abhilfe zu schaffen, dann würde der Berufsstand des Hausarztes und im Speziellen der des Landarztes von ganz alleine schnell wieder attraktiver.

Qualitative Alternativen zur Landarztquote

Einhergehend mit der Landarztquote werden auch weitere Studienplätze etabliert. Diese könnten das Problem entschärfen, es besteht aber keinesfalls eine Notwendigkeit zu diesem Schluss, denn wer sagt denn, dass von den zusätzlichen ausgebildeten MedizinerInnen dann auch jemand aufs Land geht und nicht doch vielleicht ins Ausland oder in die (Pharma-)Forschung? Bisher überwiegen von politischer Seite quantitative Ansätze und es erscheint dringend notwendig, hier viel stärker qualitativ zu überzeugen!

Im Studium muss der Hausarzt besser vermittelt werden, was man unter anderem mit Pflicht-Tertialen Allgemeinmedizin im PJ auch bereits angeht. Außerdem sollten BewerberInnen für das Medizinstudium generell (nicht nur im Rahmen der Quote) stärker über weiche Faktoren, wie Empathievermögen oder andere soziale Faktoren ausgewählt werden. Klar, das kostet Zeit und Geld. Aber es birgt auch die Chance, dass mehr Personen zu MedizinerInnen werden, die die notwendigen Voraussetzungen für den derart wichtigen Berufsstand des Landarztes mitbringen. Schließlich sind sie es, die später an vorderster Front das deutsche Gesundheitssystem repräsentieren und wenn sie ihren Job gut machen, dasselbe enorm entlasten können.

Kommunen und Regionen sind hier aufgrund der gegenwärtigen Situation besonders stark gefragt! Wer wagt, gewinnt und wer bereit ist, kreativ zu geben, wird das Rennen machen. Es gibt vielversprechende Ansätze, zum Beispiel ein MVZ in öffentlicher Trägerschaft in Schwarzenborn, der kleinsten Stadt in Hessen. Ärzte müssen hier keine Unternehmer werden, wenn sie nicht wollen. Sie arbeiten als Angestellte und trotzdem auf dem Land. Schaut man sich die Bedürfnisse an, die die Studierenden selbst äußern, sollten dringend Anreize durch unternehmerische und juristische Beratung oder Unterstützung geschaffen werden.

Was bleibt?

Zunächst mal: die Landarztquote wird irgendwann einmal wirken, die Lage wird sich bis dahin aber auch noch verschärfen. Auch super: Wenn Du Interesse an einem Medizinstudium hast, Dein Abitur für den NC aber nicht reicht und für Dich eh feststeht, dass Du gern auf dem Land arbeiten willst, go for it! Die Chancen stehen gut, denn neben dem NC werden für die Landarztquote auch noch andere Kriterien herangezogen. Für die Bewerbung ist wichtig, dass die Auswahlkriterien je nach Bundesland unterschiedlich sind. Jedoch werden zumeist Abiturnote, Ergebnis des Medizinertests, sowie Berufsausbildungen und Dienste herangezogen. Oft gibt es auch noch eine zweite Runde, in der in einem Vorstellungsgespräch Deine persönliche Eignung geprüft wird.

Trotzdem werden vermutlich rein quantitative Ansätze das Problem mittel- und langfristig nicht lösen können. Mit der Landarztquote hat man vor allem ein Instrument geschaffen, das einen ziemlich heftigen Eingriff in die Berufsfreiheit bedeutet. Vor allem aber können sie das Problem nicht in den nächsten Jahren lösen, sondern frühestens in 10 Jahren beginnen zu wirken. Qualitative Ansätze, die das Image verbessern und die dem Berufsstand Landarzt inhaltlich und vergütungstechnisch entgegenkommen, erscheinen hier die nachhaltigere Wahl.

Da auf nationaler Ebene kurzfristig wohl eher nicht mit weiteren Lösungsansätzen zu rechnen ist, sind die Gemeinden und Kommunen gefragt, kreativ zu werden. Wir wollen diesen Weg unterstützen und bieten ein Forum für kreative Ansätze auf regionaler Ebene, von dem am Ende alle profitieren können.

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